Megatrend WeQ

Wir-Qualitäten verändern alles und sind die gemeinsame DNA fast alle jüngerer Trends in allen Bereichen der Gesellschaft. Ein Essay zum Start der WeQ-Initiative von Peter Spiegel.

 

 

 

 

IQ steht genuin für Intelligenz-Quotient. Wenn man die Chiffre IQ jedoch auf die Ebene ihrer gesellschaftlichen Botschaft hebt, steht sie für Ich-Qualitäten: meine Intelligenz, mei­ne Fähigkeiten, sie zu nutzen. Wofür steht WeQ? Für Wir-Qualitäten. Ein ganzes Jahrhundert war geprägt von der Erfolgsphilosophie, es komme in erster Linie auf die Ich-Qualitäten von Individuen an, vor allem basierend auf deren IQ. Daraus leitete sich der Wert eines Menschen für die Gesellschaft ab: Wie viel Macht und Moneten steht ihm zu und wie viel Ungleichheit zwischen den Menschen rechtfertigt dies. IQ war unangefochtener Antriebsmythos und äußerst langlebiger Megatrend mit einer unbestreitbar bestechenden Erfolgsbilanz. Aber auch mit einer Vielzahl unschöner und unkluger Nebenwirkungen.

Und jetzt soll dieser Megatrend sich seinem Ende zuneigen? Ersetzt werden durch einen Megatrend, der ein so klares „I“ durch ein viel schwabbeligeres „We“ ersetzt? Genau dies steht an und breitet sich mit einem grundlegend neuen Lebensgefühl und mit gravierend anderen Lebenserfahrungen aus, in allen Facetten, Biotopen, Sektoren und Lebenslagen und mit schon jetzt irritierend starken Erfolgsgeschichten. WeQ orientiert sich in seinen Zielen und Prozessen auf wir-bezogene Qualitäten, insbesondere auf gemeinwohl-orientierte Ziele und auf team-orientierte Prozesse. Die schlimmste Botschaft für die IQ-Ori­en­tierung: WeQ-Orientierung ist nicht nur ökologisch und sozial deutlich nachhaltiger, sondern auch intelligenter, kreativer, leistungsstärker, in einem umfassenden Wortsinne bereichernder und – wenn sich unternehmerisches Denken dafür öff­net – auch ökonomisch erfolgreicher. IQ wirkt einfach eng, ärmlich und überholt im Vergleich zu WeQ. Der Orientierung an Ich-Qualitäten kann man daher keine guten Zukunftsperspektiven mehr ausstellen.

Die Orientierung an Wir-Qua­li­tä­ten überrollt derzeit alles und macht alles neu. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Etwas muss nicht in allen Punkten neu sein, um alles neu zu machen. Die Zahlen 0 und 1 waren nicht neu, aber die Fokussierung auf diese bei­den Zahlen eröffnete das digitale Zeitalter. Wir-Qua­li­tä­ten sind keineswegs per se neu, aber die Erkenntnis von deren Charme und neuen Chancen­er­öffnungsqualitäten machte die Tore zu einer neuen faszinierenden WeQ-Welt auf.

Auch haben die Schöpfer des Begriffs Megatrend nie behauptet, dass dessen Hauptmerkmal das Neue in seiner Substanz sei, sondern der substanziell neue Stellenwert, den dessen Hauptmerkmal im gesellschaftlichen Leben erfährt. Nicht das Phänomen der Globalisierung war neu am Megatrend Globalisierung, sondern dessen heute alle Lebensbereiche durchdringende Ver­än­derungsdynamik. Nicht das Phänomen femininer Qualtitäten war neu am Megatrend Frauen, sondern deren Stellenwert. Gemeinsame Merkmale von Megatrends sind deren Universalität, deren Stetigkeit und Nachhaltigkeit, auch wenn sich diese erst über mehrere Schleifen durchsetzt, deren Robustheit, deren Verwurzelung und letztlich deren Globalität.

Ein kleiner Rundflug in der WeQ-Welt

Lexika sind kondensiertes Weltwissen, so wichtig und fundamental, dass Brockhaus & Co. zu den erhabensten Wissenstempeln über alle bisherigen Zeitalter wurden. Brockhaus wird gegenwärtig final abgewickelt. Das Brockhaus-Zeitalter wurde durch jenes von Wikipedia abgelöst. Die neue Weltenzyklopädie Wikipedia wird täglich verbessert und fortgeschrieben durch Tausende Freiwillige und Ehrenamtliche, die die Macht über das Weltwissen der traditionellen elitären Intelligenz entrissen und kollektiver und demokratischer Intelligenz zugeführt haben. Wiki ist die WeQ-Re­vo­lu­tion der Wissenswelt und damit nur eine der vielen Variationen von WeQ, von angewandten Wir-Qualitäten und deren Wir-kungen.

Eine weitere ist Co-Laboration, die freie Zusammenstellung von Teams aus Menschen, die ir­gendwo in der Welt leben und sich zur gemeinsamen Bewältigung eines zeitlich befristeten Projekts oder zum Start eines Unternehmens vereinbaren, aber sich anschießend wieder neue Projekte und Co-Laboration-Teams suchen. Co-Laboration ist die WeQ-Revolution der Arbeitswelt. Dieser welt­weite Trend stärkt sowohl die Wir-Qualitäten, die für eine gute Co-Laboration unumgänglich entfaltet werden müssen, als auch die individuellen Qualitäten der daran beteiligten Individuen. Es stärkt die gesamtheitliche Qualität und die Geschwindigkeit der Entwicklung von Neuem in der Welt und es reduziert in der Regel dabei auch noch die Kosten, teilweise drastisch. Und es beschleunigt die Horizonte, Lernkurven, Netzwerke, Kompetenzen und nicht zuletzt die Unabhängigkeit aller Akteure in den multidimensional grenzüberschreitenden Co-Laboration-Laboratories.

Innerhalb dieses Trends wächst eine weitere WeQ-Motivation: Warum sollten zentrale Neuentwicklungen zum Eigentum und Machtinstrument von wenigen werden, warum nicht zum frei­en Eigentum und Instrument aller und zum Objekt der gemeinsamen Weiterentwicklung durch alle? Content Management Systeme zur Gestaltung von Homepages hätten ebenfalls wie so viele andere Software-Produkte zu Gelddruckmaschinen von Microsoft, Google, Facebook und Co. werden können. Hier jedoch „gewannen“ bereits so genannte Open-Source-Produkte, die von Experten in globaler Zusammenarbeit kostenfrei entwickelt wurden und permanent weiterentwickelt werden, wie Typo3 und Drupal den Wettbewerb gegen kommerzielle Anbieter.

Dort, wo Open-Source-Produkte bereits Teil der Wirtschaft wurden, haben sie dieser keineswegs geschadet, sondern wirkten gerade auch als wirtschaftliche Entwicklungsbeschleuniger. Dennoch ändert Open Source nichts weniger als unseren Eigentumsbegriff und damit auch Eigentumsverhältnisse. Open Source führt zu breiterem Zugang zu Entwicklungsbeschleunigern und damit zu breiterem Wohlstand. Open Source ersetzt – Produkt für Produkt ihrer Entwicklungen – Eigentum durch etwas, das man als Wir-ken-tum bezeichnen könnte: Eigentum individualisiert Zugangsrechte, „Wirkentum“ bedeutet: für alle kostenfrei zugänglich, wir-orientiert und Wirkungs-orientiert zugunsten der Entwicklungspotenziale aller Menschen und aller Unternehmen, ist also eine Steigerungsform bisherigen Wirkungsverständnisses.

Gemeinsam geschaffene Gemeingüter

Die Open-Source-Bewegung „erobert“ immer neue Themenfelder mit ihren kostenfreien Angeboten. Private Initiativen der Co-Laboration springen inzwischen auch dem Staat zur Seite bei der Bereitstellung von Gemeingütern. Im Sinne einer neuen Generation von Gemeingütern revolutionierte beispielsweise Salman Khan mit seiner Online-Learning-Plattform khanacademy.org die Welt des menschlichen Lernens. Über diese und weitere Nachahmerprojekte wie „MOOC“ (Massive Open Online Courses) kann jeder jederzeit jedes schulische, universitäre und bald auch berufliche Wissensfeld überall und für immer kostenfrei in höchst professionell-pädagogischer Weise lernen. Dies ist die Verwirklichung des Menschheitstraums der besten Bildung für alle und dies nahezu zum Nulltarif, also die WeQ-Revolution der Wissensaneignung. Der Aufwand für das Verständnis und das spielerisch leichte Beherrschen neuer Inhalte reduziert sich auf weniger als die Hälfte des Zeitaufwands bei heutigem Schullernen – und schaufelt damit den Weg frei für das Lernen ganz anderer Kompetenzen – am besten für die kreative erfahrungs- und praxisbezogene Aneignung von Wir-Qua­li­tä­ten. Erst durch Entfaltung der Wir-Qualitäten als neuem Epi-Zentrum lebenslangen Lernens schaffen wir uns eine völlig neue Gestaltungsqualität für lebensunternehmerische Umsetzungen von erworbenem Wissen.

Weit über strategischen Konsum hinaus

Ein weiterer WeQ-Trend trägt den Namen Co-Creation. Die Kunden von Produkten und Unternehmen werden zu deren Mitentwickeln, und beide Seiten profitieren davon erheblich, wie Untersuchungen bestätigen. Unternehmen, die diesen Trend verstanden haben, entwickeln bessere Produkte und Dienstleistungen und bessere Kundenbindung. Und nebenbei werden Kunden buchstäblich zu Mitgestaltern von Wirtschaft, wo immer sie dies möchten und weit über die Wirkungslinien von so genanntem „strategischem Konsum“, also dem selektiven Kauf von nachhaltigen und fairen Produkten hinaus. Co-Creation ist die WeQ-Re­vo­lution der Produktentwicklung und damit auch des Konsums.

Innovationsentwicklung befreit von der Verengung auf Fachexperten

Mehrere der Komponenten der bisher aufgeführten WeQ-Trends kommen beim Design Thinking zusammen. Dies ist eine Methode zur systematischen Entwicklung von Innovationen. Der Unterschied zur Innovationgenerierung in traditionellen Labors und Entwicklungsabteilungen: Mit Design Thinking wird Innovationsentwicklung in den entscheidenden Phasen von den klassischen Experten abgeschnitten und ganz besonders heterogenen Teams übereignet. Frei von den Verengungen von Fachexperten stellen bewusst sehr vielfältig zusammengesetzte Teams in direkter Zusammenarbeit mit der Zielgruppe, für die etwas entwickelt werden soll, zunächst fest, was deren wirklichen Bedarfe und Wünsche sind. Dann entwickeln diese heterogenen Teams Lösungsideen, die bewusst die Frage der technischen Realisierbarkeit ignorieren. Erst dann werden Experten wieder zugelassen und hinzugezogen, um die konsequent bedarfs-, zielgruppen- und wir-orientierten Lösungen mit Hilfe von deren Fachkompetenz praktisch umzusetzen.

Der gesamte Innovationsprozess ist hier von Wir-Qualitäten geprägt und führte Design Thinking genau deshalb zum großen Hoffnungsträger einer neuen Generation von Innovationsentwicklungen. Hier stellt man sich Fragen wie: Müssen bei Innovationsentwicklungen eines Pharmaunternehmens immer Pillen herauskommen? Ist ein „Brutkasten für die Armutsregionen der Welt“ nur als abgespeckte Version von Brutkästen in den Industrieländern vorstellbar oder kann er nicht beispielsweise auch wie ein Rucksack aussehen? Muss sich ein Autobauer auf das Bauen von Autos fokussieren oder kann er nicht ganz allgemein „Mobilität“ anbieten und verkaufen?

Der Pharma-Riese Böhringer Ingelheim stellte sich tatsächlich genau diese Pillenzwang-Frage und entschied sich, die eigene allzu Pillen-fixierte Entwicklungsabteilung künftig systematisch mit Social Innovators aus dem Netzwerk der führenden Organisation von Social Entrepreneurs, Ashoka, zusammenzubringen. Der „Brutkasten-Ruck­sack“ war tatsächlich eine Innovation durch ein Design Thinking Team, er kostete weniger als ein Prozent von bisher bekannten Brutkästen und passte genau zu den Lebenssituationen in Ländern der Dritten Welt.

Die noch vor wenigen Jahren als „verrückt“ eingestufte Idee des Carsharings ändert derzeit tatsächlich das Denken bei Autokonzernen in Richtung „Mobilität“ als dem neuen Produkt, das dort generiert werden muss. Alle diese Entwicklungen bedeuten eine Wende zur WeQ-Phi­lo­so­phie im Prozess der Innovationsentwicklung durch heterogene Entwicklungsteams und in der Radikalität der Orientierung auf den Nutzen der Nutzer.

Und noch etwas: Design Thinking als Prozess der Innovationsentwicklung ist lernbar, und zwar letztlich durch jeden. Selbst Schüler lernten diese Prozesse und entwickelten damit bereits wertvolle Innovationen. Design Thinking demokratisiert damit nicht weniger als das­ Zen­trum der Zukunftsentwicklung und repräsentiert somit die WeQ-Revolution in der Innovationsentwicklung. Innovationsabteilungen ohne radikale WeQ-Wen­de werden nicht mehr allzu lange überleben können. Doch diese Orientierungswende in der Innovationsentwicklung greift auf Dauer auf das gesamte Unternehmen durch und ändert auch die DNA von Unternehmen, die Unternehmenskultur in Unternehmen.

Hasso Plattner, Gründer von SAP, erkannte als einer der ersten die Bedeutung von Design Thinking. Er förderte die Brutstätte für Design Thinking an der Stanford University und die zweite Design Thinking School an der Uni Potsdam. Er lud die Spitzenkräfte der größten Unternehmen der Welt zu regelmäßigen Design-Thinking-Workshops ein und trug damit entscheidend zu deren weltweitem Siegeszug bei. Und er sorgte 2012 dafür, dass sein eigenes Unternehmen seine komplette interne wie externe Neuausrichtung auf der Design-Thinking-Philosophie aufbaute. Design Thinking ist nun die DNA von SAP.

Wirtschaftliche und gesellschaftliche Anforderungen kommen zusammen

Viele entscheidende Impulse des Megatrends WeQ stammen nicht aus der Wirtschaft, sondern aus der Szene rebellischer Weltverbesserer, die aber inzwischen immer besser lernen, sozial-un­ter­nehmerischer zu denken und zu handeln. Zunächst nur wenige kluge Führungskräfte in der Wirtschaft erkannten deren Wert. Doch jetzt scheint die Zeit reif für eine weitere WeQ-Re­vo­lution, einen weiteren WeQ-Prozess: Wirtschaft und auf gesellschaftliche Verbesserungen hin orientierte zivilgesellschaftliche Strömungen sehen sich nicht länger als Antagonisten. Sie lernen gerade, substanziell über lediglich image-pflegendes Sozialengagement von Unternehmen hinauszugehen und über substanzielle Kooperationen nachzudenken, die beiden Seiten und der Gesellschaft insgesamt völlig neue Nutzenoptionen eröffnen.

Für die Entwicklung von Wir-Qualitäten im Sinne einer solchen neuen Qualität der Ko­ope­ration von Wirtschaft und engagierter Zivilgesellschaft entwickelte sich in den vergangenen Jahren ein ganzes Bündel unterschiedlicher, aber in der Stoßrichtung ähnlich gelagerter Konzepte. Die bedeutendsten Konzeptionsbegriffe sind Social Entrepreneurship, Social Business, Inclusive Business, Social Innovation, Social Impact Infrastructure, Social Finance, Mission-related Investing. Als Versuch einer begrifflichen Klammer über alle diese Trends, unternehmerisches und gesellschaftsverbesserndes Denken und Wirken klug zu verknüpfen, schlug ich den Begriff Social Impact Business vor. Jeder dieser unterschiedlichen Ansätze legte in den vergangenen Jahren eine steile weltweite Erfolgsstory hin.

Die Idee des Social Business verkündete Mu­ham­mad Yunus unmittelbar mit der Vergabe des Friedensnobelpreises im Jahr 2006. Bis dahin schuf er unter anderem mit seiner Grameen Bank, mit Grameen Shakti und Grameen Phone bereits selbst mehrere weltverändernde Erfolgsmodelle von Social Business, also der Gründung von besonderen Unternehmen, deren einziger Gründungszweck die selbsttragende Lösung von gesellschaftlichen Problemen ist.

Die Grameen Bank löste eine Weltbewegung von Kleinkreditorganisationen aus, die bereits mehr als eine halbe Milliarde Menschen den Zugang zu Kleinkrediten ermöglichte und damit den Einstieg in selbständiges unternehmerisches Wirken. Grameen Shakti installierte inzwischen allein in Bangladesch annähernd zwei Millionen Solaranlagen in Armutshaushalten und stellte damit weltweit ein funktionierendes Modell bereit, die Armutsmärkte für Solartechnologie zu erschließen und mit diesem Energiezugang den Ausstieg aus den Armutskreisläufen weltweit erheblich zu beschleunigen. Grameen Phone setzte als erstes Unternehmen die Mobilfunktechnologie in den Armutsmärkten ein und ist heute das größte Unternehmen überhaupt in Bangladesch. Mobilfunkzugang erwies sich für den Weg aus der Armut inzwischen weltweit als das wirkungsvollste Instrument. Seit 2006 entstanden sehr viele weitere analog wirksame Social Businesses in Kooperationen mit internationalen Unternehmen sowie große Social Business Fonds. Allein aus dem Grameen-Danone-Fonds werden 30 weitere Social Businesses weltweit gefördert mit einem Volumen von 180 Millionen Euro.

Social Innovations als zukunftsentscheidende Innovationssäule

Den Begriff Social Entrepreneurs prägte Bill Drayton, der sich vornahm, weltweit besondere Innovatoren für die Lösung gesellschaftlicher Probleme zu identifizieren und sie bei der Skalierung ihrer Lösungskonzepte zu unterstützen. Seine Organisation Ashoka identifizierte unter anderem Mu­ham­mad Yunus und Jimmy Wales, den Gründer von Wikipedia, als Social Entrepreneurs, lange Zeit bevor diese Weltbedeutung erlangten. Inzwischen identifizierten sie weltweit weitere rund 4.000 derartige Pioniere für besonders potenzialreiche Social Innovations. Um Ashoka herum bildete sich eine rasant wachsende Infrastruktur der Förderung dieser Sozialinnovatoren, die sie vor allem in ihrer Kommunikation, Finanzierung und Nachwuchsbildung unterstützen.

Social Impact Hubs und Social Impact Labs schießen überall aus dem Boden als die neuen Brutstätten für viele weitere Sozialinnovatoren. Universitäten richten weltweit Lehrstühle und Forschungsstätten für Social Innovation und Social Impact Business ein. Immer mehr Menschen mit geringeren bis sehr großen Vermögen entdecken sich selbst plötzlich als Social Investors und immer mehr Staaten, die EU und jüngst der G8-Gipfel initiieren Social Finance Projekte und Fonds. Eine dieser neuen Finanzierungsformate, Social Impact Bonds, verwandeln in der Perspektive den Staat und Kommunen vom Sozialstaatsorganisator und -financier zum Sozialen Investor in weit effizientere Social Innovations. Die Erkenntnis greift um sich, dass Social Innovations zur dritten großen Innovationssäule neben technischen und Business Model Innovations werden müssen und dementsprechend auch gefördert werden sollten aus staatlichen und sonstigen Töpfen.

Schlüsselbegriff Inclusive Business

Ein dritter Schlüsselbegriff in diesem Kontext ist Inclusive Business. Er geht zurück auf den weltweit bekanntesten Innovationsökonomen C.K. Prahalad, der die These vertrat, dass das schlichte Überleben von vor allem großen internationalen Unternehmen davon abhängt, wie innovativ und nachhaltig sie in der Lage sind, gesellschaftliche Herausforderungen unternehmerisch zu lösen. Das Konzept ist: Ökologische und soziale Ziele dürfen für Unternehmen nicht länger PR-Maßnahmen sein, sondern müssen die Quelle neuer funktionierender Geschäftsmodelle werden.

Einige Beispiele: Cisco Systems entwickelte seine weltweite Aus­dehnung in die neuen Märkte der Schwellen- und Entwicklungsländer als äußerst effiziente gesellschaftliche Lösung der drohenden digitalen Kluft zwischen armen und reichen Ländern: Sie etablierten mit der Cisco Network Academy die erste Online-Learning-Akademie für den weltweit kostenlosen Zugang zur Nutzung von IT-Tech­no­lo­gie. Sie organisierten dadurch den schnellstmöglichsten, wirksamsten, günstigsten und nachhaltigsten Zugang von Nachwuchskräften in den glo­balen Armutsregionen zu den neuen IT-Mög­lich­kei­ten – und sie schufen sich damit gleichzeitig auch die künftigen Nachfrager auch nach ihren eigenen Technologien und Produkten. Ein Viertel der Allianz-Kunden sind heute bereits Klein-Ver­siche­rungs­neh­mer in den Armutsmärkten Asiens und Afrikas mit einem grundlegend anderen Micro Insurance Ansatz als in ihren traditionellen Märkten und mit ihren traditionellen Geschäftsmodellen. Sie versichern dort vor allem gegen Ernteausfälle, die Hauptursache für die immer wieder neue Zerstörung der Lebensgrundlagen von armen Bauern in der Welt.

Die Aravind Kliniken in Indien gingen einen anderen Weg: Sie wurden gegründet mit der Absicht, Menschen mit geringen oder keinem Einkommen die Operation von Grauem Star zu ermöglichen und dies querzusubventionieren durch die Preise, die sie von vermögenderen Klienten erlösen konnten. Um dies realisieren zu können, mussten sie serienweise Innovationen entwickeln, weil sie zugleich sehr viel besser und sehr viel günstiger als andere Kliniken werden mussten, was ihnen schließlich gelang. Durch diesen selbst gesetzten radikalen Innovationsdruck wurden die Aravind Kliniken so gut, dass sie gleich in mehreren Feldern, so beispielsweise bei der Herstellung günstiger Augenlinsen, inzwischen zu Weltmarktführern wurden.

Inclusive Business ist jedoch keineswegs auf Dritte-Welt-Themen begrenzt, auch wenn dort die größten Entwicklungsbedarfe wie auch Zukunftsmärkte liegen. Einige Experten meinen, die Weltklimaproblematik sei durch konkrete Inclusive Business Ansätze weitaus schneller, kostengünstiger und nachhaltiger zu lösen als durch die heutigen Ansätze der Politik auf nationaler Ebene und erst recht auf der äußerst zähflüssigen Ebene internationaler Entscheidungsprozesse. Der Ansatz von Inclusive Business kann zu einer völlig neuartigen und tiefgreifenden weltweiten Innovationswelle führen. Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft sollten dafür die Wir-Qualitäten einer neuen Generation von Zusammenarbeit lernen, um ihre jeweils eigenen Zukunftsherausforderungen besser meistern zu können wie auch unsere längst unteilbar gewordenen gemeinsamen Herausforderungen. Auch hierfür bietet die WeQ-Philosophie die notwendige Haltung und die richtigen Handlungsmuster.

Lebenslange Lernlust begründet tiefgreifende Veränderungen

Der Megatrend WeQ kann sich nicht stabil durchsetzen, wenn er nicht auch die Dimensionen lebenslangen Lernens durchdringt und damit alle unsere Bildungssysteme tiefgreifend verändert. Der Hirnforscher Gerald Hüther und der Unternehmenslenker Peter M. Endres haben jüngst in ihrem Buch „Lernlust – Worauf es im Leben wirklich ankommt“ lebenspraktisch deutlich gemacht, welche neuen Werte im Zentrum eines neuen, WeQ-getragenen Lernverständnisses stehen müssen und welche Haltungen dementsprechend überall gefördert werden sollten als die wesentlichsten Ergebnisse von Bilden und Lernen: Beziehungsfähigkeit, Gemeinsinn, Hingabe, Leidenschaft, Verantwortungsgefühl, Engagement, Eigensinn, Beharrlichkeit, Offenheit, Ehrlichkeit, Entdeckerfreude, Gestaltungslust, Achtsamkeit, Umsicht, Selbsterkenntnis, Umsicht, Selbsterkenntnis und Selbststeuerung. All dies sind Wir-Qualitäten, nur einen kleineren Teil davon könnte man auch in einer Liste der Ich-Qualitäten finden. Gerald Hüther spricht in diesem Zusammenhang von Potenzialentfaltung.

IQ ist nicht schlecht oder falsch, nur ist WeQ schlicht sehr viel mehr als IQ. Eine IQ-orientierte Bildung basiert auf einem deutlich kleineren Spektrum an Haltungen und Qualitäten. Durch die deutliche Erweiterung des Haltungsspektrums bei einer WeQ-orientierten Bildung werden nicht nur die kognitiven Fähigkeiten noch einmal erheblich besser entwickelt, weil man bei einem Team-orientierten Lernen die Lernerfahrungen und Qualitäten der Teammitglieder viel besser für seine eigenen Lernkurven mitnutzen kann als bei einem einseitig individualisierten Konkurrenzlernen.

Wir-Qualitäten wie Verantwortungsgefühl, Engagement oder kooperative Gestaltungslust schaffen einen unvergleichlich stärkeren lebenspraktischen Bezug für alle Lernprozesse und fördern die eigenen lebensunternehmerischen Umsetzungskompetenzen. Hüther und Endres sagen, heute komme es weit mehr darauf an, was man kann als was man weiß. Unternehmen wie die Deutsche Bahn, Google und SAP suchen ihre neuen Mitarbeiter nicht länger nach deren Noten aus, weil Noten auf schulische Paukleistungen viel zu wenig über deren Können aussagen. Sie entwickelten daher zwischenzeitlich ihre ganz eigenen, auf das Können ausgerichtete Leistungserkennungskonzepte.

Ein lebensnäheres und erfahrungsgetragenes Lernen stärkt das Erlebnis der Selbstwirksamkeit, die Begeisterung für lebenslanges Lernen und damit auch die persönliche und gesellschaftliche Brauchbarkeit von allem Gelernten. Das Lernen der Wir-Qua­li­tä­ten ist somit das Herz der WeQ-Revolution, weil sie jeden Menschen mit den zentralen Fähigkeiten ausstatten, die er in diesem neuen Zeitalter braucht. Die Initiative Bildungsstifter identifiziert und fördert bereits vorhandene Bildungsprojekte und Bildungsinnovationen, die eine solche WeQ-ori­en­tier­te Bildungswende an der Praxisfront umsetzen.

Ein Beispiel, wie Schule im WeQ-Modus sehr konkret aussehen kann, liefert die von Margret Rasfeld geleitete Evanglische Schule Berlin-Zentrum. Dort gibt es Lernbüros, in denen die Schülerinnen und Schüler eigenverantwortlich, voneinander und in Teams miteinander lernen. Der Lehrer ist hier nicht Wissensvermittler, sondern persönlicher Lern­coach. Der gesamte Lernprozess wird dadurch Lernlust-getriebener und effizienter, denn jeder lernt in dem für ihn optimalen Tempo. Wenn er mit Mathe schneller ist als der Durchschnitt, hat er mehr Zeit für ein für ihn schwierigeres Fach. Die Ergebnisse sind deutlich besser und vor allem vielfältiger als an „normalen“ Schulen. Die Schüler lernen sehr viel mehr, tiefer und vor allem praktischer und handlungs- und gestaltungsorientierter. Beispielsweise in den Schulfächern „Verantwortung“ und „Herausforderung“, in denen sie einen ersten Roman schreiben oder eine Band gründen oder Korsika durchwandern oder in einem Projekt in Indien mitarbeiten. Die Schüler sind so begeistert von ihrer Schule, dass sie – die Schüler – Lehrerfortbildungen anbieten, an denen bisher bereits mehr als 10.000 Lehrer aus dem gesamten deutschsprachigen Raum teilgenommen haben. Die Initiative Schule im Aufbruch begleitet Schulen dabei, einen solchen Wandel auch bei sich zu vollziehen.

Der radikal neue Schultyp der Empowerment Schools

Bildung im WeQ-Modus verändert auch Erwachsenenbildung radikal. Wie radikal, illustriert das Women’s Empowerment Program, das 1999-2002 in Nepal durchgeführt wurde mit 125.000 Frauen, die zum größten Teil Analphabeten waren und zu den Ärmsten im Lande zählten. Im Train-the-Trainer-Modus lernten sie mit Trainingsmodulen zum einen Lesen, Schreiben und Rechnen mit fast 100-prozentigem Alphabetisierungsergebnis, zum zweiten Projektmanagement, wodurch sie in die Lage versetzt wurden, innerhalb von drei Jahren mehr als 50.000 eigene soziale Projekte entsprechend den von ihnen selbst identifizierten Bedarfen zu organisieren, zum dritten, wie man sich selbständig macht, mit dem Ergebnis, dass 86.000 Frauen den Schritt in die Selbständigkeit gingen, zum vierten, wie man eigene Dorfbanken nach dem Raiffeisen-Prinzip aufbaut, also auf der Grundlage eigenen Sparens und mit dem Ergebnis von mehr als 1.000 Dorfbankgründungen, und zum fünften, welche Rechte man laut Gesetz hat und wie man diese wahrnehmen kann. Nach drei Jahren hat sich das Einkommen dieser Familien verachtfacht und die Frauen haben die erworbenen Kompetenzen in einer Art selbstorganisiertem Volkshochschulsystem systematisch weitergetragen. Selbstverständlich schickten alle diese Frauen nach dieser eigenen Lernerfahrung ihre Kinder in die Schule.

Von diesem Ansatz einer informellen, nach einmaligem Anschub komplett selbstgetragenen Empowerment School – oder man könnte sie auch WeQ School nennen – kann die ganze Welt lernen. Eine ganze Region lernte durch entsprechend aufbereitete Trainingsprogramme in drei Jahren, den Aufbau und Betrieb der wesentlichsten Infrastruktureinrichtungen in die eigene Hand zu nehmen: grundlegende Bildung samt systematische Weitergabe dieser Bildung, unternehmerisches Denken und Handeln, ein eigenes und selbstgesteuertes Finanzierungssystem sowie den Aufbau aller notwendigen sozialen Leistungen. So kann Bildung im WeQ-Modus überall konzipiert und umgesetzt werden, für jede Zielgruppe und in jedem Land der Welt, auch in den Industrieländern.

WeQ-DNA und WeQ-Test

WeQ ist die DNA eines weiteren Quantensprungs zur Entfaltung der menschlichen Fähigkeiten. Mit WeQ-Orientierung lernen wir, in jedem Menschen ein Bergwerk, reich an Edelsteinen von unschätzbarem Wert zu entdecken. Die Menschheit steht erst am Anfang ihres Entfaltungspotenzials. Würde man Tests durchführen in zwei Vergleichsgruppen, wobei die eine in ihrer Ausbildung, an ihrem Arbeitsplatz und in ihrer persönlichen Lebensgestaltung noch weitgehend nach dem IQ-Modus lebt und die zweite bereits ziemlich deutlich nach dem WeQ-Modus, wären wir vermutlich sehr erstaunt über die eklatanten Unterschiede in den Lebensgestaltungskompetenzen und in der Lebenszufriedenheit.

Wir sollten schleunigst IQ-Tests vergessen und stattdessen WeQ-Tests entwickeln, mit denen wir den Entwicklungsstand im Prozess der fortschreitenden Wir-Qualitäten-Herausbildung feststellen WeQ ist offensichtlich ein Megatrend, wenn auch bisher noch in Inseldimensionen in unseren gesellschaftlichen Räumen. Es ist Zeit, in der gesamten Gesellschaft WeQ als Megatrend zu erkennen. Und unsere zivilgesellschaftlichen, unternehmerischen und politischen Rahmenbedingungen dementsprechend neu zu gestalten.

 

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